In den USA verschreiben Ärzte immer öfter Gabapentin. Das Antikonvulsivum dient in vielen Fällen als Alternative zu Opioiden. Auffällig: Ärzte greifen umso stärker zu den Originalpräparaten, je mehr Industriegelder sie erhalten. Auch in der Schweiz greifen immer mehr Tierärzte zu Gabapentin. Auf Grund der chronischen Zeitachse sind viele Tierärzte der Meinung, dass sie damit eine gute Wirkung erzielen. Ist dem wirklich so? Ist Gabapentin wirklich bei Arthrosen ein Medikament der Wahl? Wird die Arthrose funktionell sowie biomechatronisch wirklich richtig verstanden? Diesen Fragen geht dieser Newsletter auf den Grund.
Auch Tierärzte greifen in der Schweiz immer mehr zu Gabapentin, und dies vor allem bei Arthrose Patienten. Sei dies bei Ellenbogen- oder Hüftarthrosen, oder dann bei Pfoten- oder Kniearthrosen. Als Beispiel dafür sehen Sie unten Röntgenbilder von einem Hund mit hochgradiger Ellenbogenarthrose, Einsatz mit Gabepentin hat keine Verbesserung gebracht. Im Gegenteil der Hund wurde anteilnahmslos, müde und wollte auch nicht mehr laufen. Er hat die ganze Freudigkeit verloren.
Ganz vergessen geht dabei, dass Gabapentin bei Epilepsien und beim neuropathischen Schmerzsyndrom eingesetzt werden sollte. Bei Arthrosen zeigt Gabapentin keine Wirkung.
Der Begriff der Epilepsie beschreib das wiederholte Auftreten von Krampfanfällen. Es wird ein Ungleichgewicht von aktivierenden und bremsenden Transmittern (Botenstoffe) im Hirn vermutet. Die Ursache ist meistens unbekannt, dann sprechen wir von idiopathischer Epilepsie. Es wird wiederum ein genetischer Zusammenhang vermutet, ein polygenetischer Erbgang, also viele verschiedene Gene, vergleichsweise wie bei der HD und ED. Dieser genetische Hintergrund wurde beim Golden Retriever, Labrador Retriever und beim Berner Sennenhund nachgewiesen. Beim Beagle, Deutschen Schäferhund und Tervueren wird ein genetischer Zusammenhang vermutet.
Schmerzen durch Störungen oder Erkrankung mit Affektion des somato-sensorischen Nervensystems. Dies bedeutet, dass der Nerv oder das Nervensystem erkrankt und verletzt ist. Ein einfaches Beispiel hierfür ist eine Verengung im Rückenmark im Bereich der Cauda equina oder Plexus brachialis sowie eine Verengung des Nervenaustritts. Dadurch kommt es zu einer foraminalen Stenose (verkalktes Rohr) und damit zu einer Störung der Nervenleitung. Betroffene Hunde zeigen vor allem ein Hinken und ein Belecken und Benagen entlang des Hinterlaufs der Gliedmaßen. Zudem können vergleichbare Symptome wie Beknabbern der Zehennägel o.ä. beobachtet werden.
Als spezialisierte Hundepraxis gehört die Therapie von Arthrosen, vor allem bei Hunden mittleren und hohen Alters, zur täglichen Arbeit. Es ist in den letzten Jahren stark auffällig, dass der Einsatz von Gabapentin in der Tierarztpraxis exponentiell zugenommen hat. Dies liegt leider auch an dem Umstand, dass vereinzelte Protagonisten der Schmerztherapie dies auch propagieren und durch Referate von Pharmaunternehmen auch noch gezielt gestützt werden.
Nur eines ist klar, wenn man die Definition der verschiedenen Einsätze für Gabapentin liest, kurz und gut: Gabapentin hat bei Arthrosen keine therapeutische positive Wirkung, da der Arthroseschmerz weder neuropathisch ist noch im Zusammenhang mit der Entstehung von Epilepsien steht. Die Arthrose ist wohl ein chronischer Schmerz (seit längerer Zeit vorhanden), hat eine chronifizierende Tendenz (Folgeauswirkungen als Beispiel auf die Bewegung), dies rechtfertigt jedoch sicher nicht den Einsatz von Gabapentin.
Per definitionem ist der Arthroseschmerz dadurch gekennzeichnet, dass er beim Einlaufen vorhanden ist, unter Belastung dann besser wird und vor allem wieder bei starker Überlastung zum Tragen kommt. Beim Hund mit einer Hüftarthrose ist dies nach gut einer Stunde oder etwas mehr der Fall. Gerade die Chronifizierung in der Bewegung ist augenfällig. Als Beispiel bei der Hüftgelenksarthrose zeigt der Hund eine verminderte Hinterhand-Aktivität, einen schwankender Gang, enge Stellung der Hinterbeine in der Bewegung, Mühe bei der Treppe und Unwilligkeit ins Auto zu springen. In diesem Fall verändert sich die Hinterhand von einer aktiven und Schub-entwickelnden Bewegung zu einer passiven und reduzierten Tätigkeit der Hinterhand. Kompensatorisch zeigt die Vorhand dafür einen pull-move, dies bedeutet, der Hund zeigt eine gezogene Bewegung aus der Vorhand. Dies kann sehr eindrücklich mit der Kinematik aufgezeigt werden, vor allem mit der Stütz- und Schwingphasen der Gliedmaßen.
Der Schmerz bei Arthrosen ist durch zwei Komponenten gekennzeichnet:
Es ist somit klar, dass damit keine Strukturen des Nervensystems verletzt sind und somit keine Schmerzen der Nerven oder Nervenendigungen vorhanden sind und somit Gabapentin in diesen Zusammenhängen nur wenig Einfluss nehmen kann. Auf das Thema der Arthrose werden wir in den nächsten Newsletter nochmals grundlegend eingehen. Und nun zurück zum Thema Gabapentin.
Gabapentin ist ein Analogon des Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure, bindet aber nicht an deren Rezeptoren, sondern hemmt spannungsabhängige Calciumkanäle an präsynaptischen Neuronen.
Zwei Forscher an der Yale-Universität in Connecticut haben den Zusammenhang zwischen der Verschreibung von Gabapentin sowie Zahlung der Pharmaindustrie an Ärzte untersucht. Im Zeitraum von 2014 – 2016 haben 51`000 Ärzte, die Gabapentin verschreiben, Zahlungen von 11,5 Millionen US-Dollar erhalten. Dies sind rund 14% der Ärzte, die Gabapentin regelmäßig verordnen. Einen Teil der Zuwendungen, 5,3 Millionen US-Dollar, erhalten die Ärzte als Lebensmittel, Getränke, Geschenke und Unterrichtsmaterialien, die restlichen 6,2 Millionen US-Dollar erhalten sie als Zahlungen für Referate, Beratungs- und andere Honorare, Reise- und Unterbringungskosten oder als Zuschüsse, die nicht der Forschung dienen. In der Schweiz existieren keine solche Zahlen. Es ist aber anzunehmen, dass ebenfalls solche Zuschüsse in der Schweiz fließen könnten. Es ist aber ein Tabuthema. Es soll aufzeigen, welche Macht die Pharmaindustrie hat. Patienten sowie auch Hundebesitzer sind auf die Empfehlungen des Arztes oder Tierarztes angewiesen und es werden nicht solche Interessen angenommen. Leider kann man in den Printmedien immer wieder auf solche Zu- und Missstände stossen.
Obwohl es bei bestimmungsgemässer Anwendung nicht als berauschend eingestuft wird, berichten aber Anwender nach der Einnahme von Gabapentin von rauschähnlichen Zuständen, Euphorie und auch sedierende Effekte können hervorgerufen werden.
Patienten, die Gabapentin aus medizinischen Gründen in therapeutischen Dosen über eine längere Zeit eingenommen haben, geben außerdem an, dass es süchtig machen kann. Entzugssymptome sind Angst, Schlaflosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Schwitzen, Appetitverlust und somit auch verstärkte Reaktionen auf Schmerzen, Kopfschmerzen, Ermüdung, Reizbarkeit, Unruhe und Anfälle. Einige dieser Symptome können wir auch beim Hund als Nebenwirkung beobachten. Ein wichtiges Symptom nach einer gewissen Zeit der Gabapentin-Gabe ist der starke Haarausfall. Dies kann soweit gehen, dass kahle Stellen auftreten.
Nicolas Zellner der technischen Universität München (TMU) stellt in einer Studie fest; „Pregabalin ist nach Opiaten, Benzodiazepinen, Cannabis und Alkohol zur fünfthäufigsten missbrauchten Substanz aufgestiegen. Patienten, bei denen bereits eine Suchterkrankung besteht, greifen häufig auch zu Pregabalin.
Zum Glück ist dies beim Hund noch nicht so weit. Aber die Verordnungswut von Gabapentin durch den Tierarzt geht in diese Richtung. Somit wäre es sinnvoll, wenn die Hundebesitzer mit Vorsicht dieses Medikament verabreichen, vor allem bei Arthrose ist dies ein „NO – GO“!