Unser Patient wird Ende April notfallmässig bei uns vorgestellt mit Schulterlahmheit vorne rechts, praktisch keine Belastung der Gliedmasse. Am Vortag war der Hund noch ohne Beschwerden. Einen offensichtlichen Vorfall gab es nicht. Der Hund war einzig im Garten.
Der Rottweiler-Junghund läuft bei uns in der Studie und war bei der letzten Kontrolle Anfang März 2020 unauffällig. Die Hündin hat sich in der Zeit von der 12. Woche bis zum 7. Monat sehr gut entwickelt. Kurz vor der ersten Kontrolle des Zweimonats-Rhythmus zeigt die Hündin eine hochgradige Lahmheit vorne rechts mit praktisch keiner Belastung.
Dies sehen Sie im ersten Video.
Die anschließende Radiologie zeigte eine Verletzung der Schulter im Bereich des Tuberculum supraglenoidale (Ansatzstelle der Bizepssehne), dies ist die Spitze der Schulter im Übergang zum Oberarm und ist ein wichtiger Bereich für die Bewegung der Schultergliedmasse. Die ganze Region sah ziemlich zersplittert aus. Daher war die Lahmheit des Hundes erklärbar.
Wenn wir uns kurz die Anatomie der Schultergliedmasse des Hundes in Erinnerung rufen, so haben wir einerseits das Schulterblatt, das entlang des Brustkastens sich bewegt und durch eine muskuläre Verbindung mit dem Hundekörper verbunden ist. Man nennt dies Synsarkose und die Pseudo-Artikulation ist eine thorakale (Brustkasten)-scapuläre (Schulterblatt)-funktionelle (gelenksähnliche) Verbindungsachse. Das Buggelenk, also die Region der Verletzung bei diesem Hund, ist ein richtiges Gelenk, wie dies aus dem Schulbuch definiert ist. Es ist grundsätzlich ein Kugelgelenk, aber in der Funktion wie ein Walzengelenk, vergleichbar wie die Zehengelenke.
Therapeutisch wurde dem Patienten absoluter Leinenzwang verordnet und vor allem aufgrund der Schmerzen und Entzündung Meloxicam. Eine Kontrolle sollte gut vier Wochen später stattfinden. Zu diesem Zeitpunkt war eine chirurgische Therapie nicht möglich, da das Setzten einer Schraube zur Stabilisierung aufgrund der Zertrümmerung nicht möglich war. Das Ziel war es, dies falls nötig noch zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen.
In der Kontrolle im Mai 2020 war der Hund weniger lahm, die Schmerzen reduziert und die Belastbarkeit der Gliedmaße deutlich besser.
Zu diesem Zeitpunkt wurde der Patient orthopädisch manuell kinematisch kontrolliert behandelt und mit einem kontrollierten Bewegungsplan nach Hause geschickt. Die Entwicklung der Genese war positiv, es konnte aber noch nicht eine chirurgische Therapie in Betracht gezogen oder ausgeschlossen werden. Es war auch möglich, dass diese nicht notwendig wird.
Ende Juli war die nächste Kontrolle. Die Lahmheit war praktisch im täglichen Leben verschwunden, einzig in heftigen und vor allem kurzen engen Wendungen konnte das Hinken auftreten.
Auch die durchgeführte Röntgenstudie zeigte eine gute Ausheilung der Zertrümmerung. Einzig das Tuberculum war noch nicht vollständig fusioniert und mineralisiert. Falls sich dies in den nächsten 4 Wochen nicht selbständig ausheilt, kann dies nun mit einer chirurgischen Intervention stabilisiert werden. Die Tendenz ist aber ziemlich gut, dass dies nun konservativ ausheilen sollte. Auf alle Fälle wird dies noch weiter überwacht.
Wenn wir nun dies noch mit den funktionellen Messungen vergleichen, kann die Entwicklung der Lahmheit aus der Schulterverletzung objektiv und eindrücklich aufgezeigt werden. Zur Information:
Die hellblaue Farbe, war die Messung Ende April, die dunkelblaue Farbe, die von Ende Mai und violett von Ende Juli 2020. So können sie immer die gleichen Parameter miteinander vergleichen. Am besten sieht man die Entwicklung der Lahmheit mit dem Parameter „Relative Peak Vetrical Force, kurz PVF. Hier sieht man bei der rechten Gliedmaße einen langsamen Aufstieg der Balken. Dies bedeutet, die Aufnahme von mehr Gewicht auf die kranke Gliedmaße. Die restlichen Parameter zeigen wohl eine kranke rechte Gliedmaße, die der Patient aber versucht zu kompensieren, vor allem über die linke Beckengliedmasse. Aber dennoch zeigt dies auf, dass die Ausheilung der rechten Schultergliedmasse voran geht.
In der nächsten Ausgabe, stelle ich Ihnen einen Rottweiler-Junghund, 9 Monate vor, der seit einigen Monaten beim PTA behandelt wurde wegen Entzündung/Schmerzen in den Wachstumsfugen im Vorderfusswurzelgelenk. Nach kurzer Untersuchung stellt sich eine andere Diagnose heraus, welche einschneidende Konsequenzen hatte. Welche? Dies beim nächsten Mal.